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AdK-Mitglied Andreas Möller stellt gemeinsam mit internationalen Gestaltern in der Ausstellung „Social Design“ im MKG aus

Mit seinem Flying8-Webstuhl macht der Hamburger Weber Andreas Möller seit Jahren international Furore. Nun ist die revolutionäre Erfindung des langjährigen AdK-Mitglieds in einer ungewöhnlich visionären Ausstellung des Museums für Kunst und Gewerbe vertreten: „Social Design“ zeigt 31 Projekte weltweit engagierter Gestalter, die die Welt zwar nicht retten können, aber die Lebensqualität vieler Menschen deutlich verbessern.


Als die junge Londoner Architektengruppe Assemble 2015 für ihr Projekt „Granby Four Streets“ den Turner-Preis erhielt, einen der wichtigsten Kunstpreise überhaupt, war die Empörung in der Kunstwelt groß. Was, so wurde gefragt, habe die Sanierung und Renovierung von baufälligen viktorianischen Reihenhäusern in vier heruntergekommenen Straßen Liverpools mit Kunst zu tun – zumal dieses interdisziplinäre Vorhaben in Zusammenarbeit mit den Anwohnern durchgeführt wurde? Nun ja, eine ganze Menge. Mit den „Granby Four Streets“ hatte die Turner-Jury ein herausragendes Projekt der Sparte „Soziale Plastik“ ausgezeichnet, wie sie Joseph Beuys mit seinem erweiterten Kunstbegriff bereits vor 50 Jahren in die Kunstgeschichte eingeführt hat. Sein Credo: „Jeder Mensch ist ein Künstler, kann durch Kreativität zum Wohle der Gesellschaft beitragen“, hebt den Unterschied zwischen Kunst und Design auf – zugunsten realer Probleme und engagierter Projekte wie der partnerschaftlich entwickelten Zukunftsvision für das Elendsviertel von Liverpool. Das Kollektiv Assemble schaffte neue Wohnflächen mit einfachen, preiswerten Materialien sowie ein neues unternehmerisches Konzept für die Anwohner, das mittlerweile Kultstatus erlangte: GRANBY WORKSHOP – Architectural Ceramics Handmade in Liverpool.

„Granby Four Streets“ ist dem Kapitel „Urbaner Raum und Landschaft“ zugeordnet und eines von 25 internationalen Social Design-Projekten aus insgesamt sechs Bereichen, die Kuratorin Angeli Sachs ursprünglich für das Zürcher Museum für Gestaltung zusammenstellte und die jetzt – ergänzt durch sechs lokale Projekte – im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen sind. Ob ein mobiles Geldtransfersystem, Bio-Wasserfilter oder Schulgärten in Afrika – es sind allesamt tolle Initiativen, die vor Augen führen, wie man und dass man auch ohne finanzkräftige Sponsoren im Hintergrund die Welt verbessern kann. Etliche Projekte betreffen die Flüchtlingshilfe, wie das magdas Hotel in Wien, das von 20 Migranten aus 16 Nationen – unterstützt von zehn Fachkräften aus der Hotellerie – betrieben wird. Oder das Hamburger Modelabel „Vagabunt“, ursprünglich als Nähprojekt für Hamburger Straßenkinder gegründet, schneidern und verkaufen hier mittlerweile minderjährige Geflüchtete und Mädchen mit Gewalterfahrung ihre eigenen Entwürfe. Im Bereich „Netzwerke“ ist der Solarkiosk von Graft und Andreas Spiess ein faszinierendes Beispiel dafür, wie mit verhältnismäßig kleinem Aufwand ein enormer Effekt erzielt werden kann. Mit dem mobilen Shop, der selbst Energie erzeugt, bekommen Menschen auch in der afrikanischen Savanne saubere, nachhaltige Energie – und darüber hinaus ein Service- und Kommunikationszentrum, das direkt in die Gemeinschaft hineinwirkt.

Wenn es um Hilfe zur Selbsthilfe in Sachen „Produktion“ geht, ist der Flying8-Webstuhl des Hamburger Webers Andreas Möller kaum zu toppen. Entwickelt während eines Aufenthalts in Estland und 2010 in Äthiopien erstmals eingesetzt, hat dieser einfach nachzubauende Leichtbauwebstuhl aus einfachen Dachlatten das Werber-Handwerk mittlerweile revolutioniert und Existenzgründungen in mehr als 20 Ländern auf vier Kontinenten ermöglicht.

Auf Hilfe angewiesen sind aber nicht nur Länder der sogenannten „dritten Welt“. Um Armut und Elend zu erleben, braucht man nur vor die Tür zu treten, genauer gesagt, vor der Tür des Museums für Kunst und Gewerbe. Das Drop Inn, Hamburgs zentrale Anlaufstelle für Drogenabhängige, befindet sich nur ein paar Schritte entfernt, am Besenbinderhof. Grund genug für Direktorin Tulga Beyerle und ihr Team im Zuge der Ausstellung selbst aktiv zu werden und gemeinsam mit dem Drob Inn und dem ConstructLab, einem interdisziplinären europäischen Netzwerk, zu überlegen, wie man den Platz zwischen MKG, ZOB und Drob Inn menschenwürdiger gestalten kann. Vielleicht entwickelt sich aus der „Arbeitsgemeinschaft für Gestaltungsräume um das MKG“ ja tatsächlich mehr, als ein paar Ideenskizzen auf dem Papier. Zu wünschen wäre es.


„Social Design“
bis 27.10.2019
MKG Hamburg, Steintorplatz
Di-So 10-18 Uhr, Do bis 21 Uhr,
Eintritt 12, erm. 8 Euro.
Alle Infos unter mkg-hamburg.de

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