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Ein Nachruf auf die Schmuckkünstlerin Brigitte Klosowski (1924-2021)

Mit der am 11.10. 2021 verstorbenen Schmuckkünstlerin Brigitte Klosowski ist in Hamburg eine Ära der Goldschmiedekunst zu Ende gegangen. Viele Kollegen, besonders aus den Reihen der AdK und der Gedok, betrauern den Tod der Künstlerin, die in beiden Organisationen ein jahrzehntelanges Mitglied war.

 

Brigitte Klosowski wurde am 30. Oktober 1924 geboren. Ihr Vater war der Münchner Gold- und Silberschmied Otto Stüber (1885-1973), der als Wandergeselle ab 1908 bei dem Hamburger Senatsgoldschmied Alexander Schönauer arbeitete, bis er sich 1910 mit Christoph Kay am Ort selbständig machte. Nach dem Ersten Weltkrieg trennten sich die beiden Künstler, und Stüber eröffnete am Graskeller (in unmittelbarer Nähe der Stadthausbrücke) eine eigene Werkstatt. Hier kam Tochter Brigitte als einzige Tochter des Ehepaars Stüber zur Welt. Von früh an nahm Brigitte Anteil am Werk ihres Vaters. Dieser arbeitete eine Zeit lang nach Entwürfen des aus Wien stammenden Designers Carl Otto Czeschka, was sich für eine Reihe von Jahren an Stübers Schmuckarbeiten und Gefäßen gut ablesen lässt. Gegen Ende der 1920er Jahre wandte er sich dem Stil der Neuen Sachlichkeit zu und schuf Schmuckstücke von einfacher, strenger Formgebung. Neben Josef Arnold war Stüber in den 1930er Jahren der tonangebende, erfolgreichste Gold- und Silberschmied Hamburgs. 1943 fielen Werkstatt und Wohnung dem Bombenkrieg zum Opfer, wobei auch sämtliches Werkzeug, der Metallvorrat und Entwurfszeichnungen verloren gingen. Deprimiert setzte Stüber seine Arbeit aus und begann erst nach Ende des Krieges, mit geliehenem Werkzeug als Gast in der Werkstatt eines Kollegen, wieder die Arbeit aufzunehmen. Derweil hatte sich Tochter Brigitte 1945 an der Landeskunstschule am Lerchenfeld für die Klasse Wandmalerei bei Prof. Theo Ortner eingeschrieben. Dort traf sie auf zahlreiche Kommilitonen wie z.B. Siegfried Assmann, Karl Goris oder Claus Wallner, die später in Hamburg bekannte Glasmaler wurden, sowie auf den Graphiker Alfred Klosowski (1927-2020), ihren späteren Mann, den sie 1952 heiratete. Da hatte sie nicht nur ihr Studium am Lerchenfeld abgeschlossen, sondern auch schon (von 1948-51) eine Silberschmiedelehre bei ihrem Vater absolviert. Da Otto Stüber noch lange Zeit unter dem Trauma des Weltkriegs und dem Verlust seiner Werkstatt litt, hatte Brigitte Klosowski beschlossen, ihre bislang eingeschlagene Laufbahn als Malerin aufzugeben und ihrem Vater beim Aufbau einer neuen Werkstatt zur Seite zu stehen. In Zeiten der Wohnungsnot und des Wiederaufbaus war Schmuck nicht gerade das dringendste Gut, dennoch ließ sich bald eine Kollektion von Silberarbeiten erstellen, wofür Brigitte Klosowski die Entwürfe lieferte. Ihr Gesellenstück, ein goldener Kapselanhänger, errang 1951 als Bundessieger den 1. Preis. 1952 erhielt die Werkstatt den Auftrag zur Anfertigung einer silbernen Weinkanne, in der der Verfasser dieser Zeilen eine typische Arbeit Otto Stübers aus den dreißiger Jahren zu erkennen glaubte. Als solche wurde sie 2001 vom Museum für Kunst und Gewerbe bei Lempertz in Köln zu einem stattlichen Preis ersteigert. Umso größer war die Überraschung, als Brigitte anhand von Zeichnungen belegen konnte, dass der Entwurf von ihr stammte; ihr Vater hatte ihn allerdings ausgeführt.

Brigitte Klosowski arbeitete während der 1950er Jahre eng mit ihrem Vater zusammen. Ab 1949 wurde es wieder möglich, auf der jährlich stattfindenden, sog. Weihnachtsmesse des Museums für Kunst und Gewerbe auszustellen, wo Brigitte den Stand ihres Vaters betreute. Erst 1961, nachdem ihr Vater sich von der Messe zurückgezogen hatte, stellte sie unter ihrem eigenen Namen aus und setzte diese Praxis bis zum Jahr 2002, mithin 40 Jahre, fort. Ältere Besucher der Messe erinnern sich noch der von Brigitte Klosowski meisterhaft selbst aufgenommen Schmuckphotos, mit denen sie die Rückwand ihres Standes schmückte. Bald war Brigitte Klosowski so anerkannt, dass sie älteren Ausstellern, wie z. B. Wolfgang Tümpel oder Herbert Zeitner, auf Augenhöhe begegnen konnte; ihre zahlreichen Erfolge außerhalb Hamburgs trugen dazu bei. 1974-1981 sowie 1984 stellte sie auf der Schmuckschau der Internationalen Handwerksmesse München aus. 1978, 1981, 1984 und 1987 nahm sie an den Triennale – Ausstellungen des deutschen Kunsthandwerks im Frankfurter Kunstgewerbemuseum teil. 1976 errang sie eine Auszeichnung im internationalen Wettbewerb „10 Gramm Gold“ und 1978 den 1. Preis im Wettbewerb „Der Ring“, den die Gesellschaft für Goldschmiedekunst in Hanau durchgeführt hatte. Nach einer Auszeichnung für den besten Stand auf der Weihnachtsmesse 1978 wurde Brigitte Klosowski 1984 der große Justus Brinckmann Preis zuerkannt, und ein Jahr später Jahr gingen mehrere ihrer Arbeiten auf eine Tournee Norddeutschen Kunsthandwerks nach Japan, China und Australien. Zu Brigitte Klosowskis 70. Geburtstag 1994 organisierte die Abteilung Moderne des Museums für Kunst und Gewerbe in der BAT- Galerie in der Esplanade unter dem Titel: „Drei Generationen Hamburger Goldschmiedekunst“ eine Ausstellung, die Brigitte Klosowski, ihrem Vater Otto Stüber und ihrem Sohn Arnd Kai Klosowski gewidmet war. Der 1954 geborene Sohn Arnd Kai war inzwischen selbst ein bekannter und erfolgreicher Goldschmied geworden. Bei der Eröffnung der Ausstellung verlieh die damalige Kultursenatorin Dr. Christina Weiß Brigitte Klosowski in Anerkennung ihrer Verdienste für die Hamburger Kultur die Senator-Biermann-Ratjen-Medaille.

Anlässlich Brigitte Klosowskis 80. Geburtstag zeigte das Museum für Kunst und Gewerbe eine kleine, feine Ausstellung ihrer Broschen. Obwohl dazu kein Katalog erschien, war die Künstlerin über diese Ausstellung, die parallel zu Jahresmesse im Museum stattfand, besonders glücklich, weil Broschen über Jahrzehnte ihr bevorzugtes Medium im Schmuck gewesen waren. Danach zog Brigitte Klosowski sich allmählich aus dem Berufsleben einer Goldschmiedin zurück. Zu ihrem 95. Geburtstag verfasste Lutz Wendler einen umfassenden, sympathischen Artikel, der am 30./31. 10. 2019 im Hamburger Abendblatt erschien. Die letzten eineinhalb Jahre lebte die Künstlerin mit ihrem Mann Alfred bis zu dessen Tod zusammen und danach allein, in einem betreuten Seniorenheim. Die durch Corona verursachte Einsamkeit, die monatelang dazu zwang, weitgehend kontaktlos in einem Zimmer zu leben, ertrug sie mit stoischer Geduld, ohne zu klagen. Aber sie freute sich über Telefongespräche, die ihr etwas von der Welt vermittelten und über den Besuch ihrer Familie. Am 28. Oktober 2021 vermeldete das Hamburger Abendblatt leicht verspätet ihren Tod, mit einem Artikel, der erneut aus der Feder von Lutz Wendler stammte.

Heute würde man Brigitte Klosowski eine Autoren-Schmuckkünstlerin nennen, weil ihr die künstlerische Aussage eines Schmuckstücks oberstes Anliegen war. Schmuck sollte mehr sein als bloße Dekoration am Körper. Die Künstlerin vermied Edelsteine, bekannte sich aber zu weißen und schwarzen Perlen. Im persönlichen Gespräch betonte sie ihre Affinität zum Design, das einem bewussten Formprozess folgte und Zufälligkeiten ausschloss. Bereits 1957 hatte sie ihre Wohnung mit Sesseln von Harry Bertoia ausgestattet, die sie quasi vom ersten Geld von Knoll International erworben hatte. Gut geformtes Gebrauchsgerät war ihr auch im privaten Leben wichtig, und sie bewunderte Künstler und Designer wie Max Bill, Dieter Rams oder Wilhelm Wagenfeld. Hätten die Lebensumstände es ihr erlaubt, erklärte sie rückblickend, wäre sie gern auf die Hochschule für Gestaltung nach Ulm gegangen. Im Design erkannte sie eine ethische Kategorie, die dem Leben Wert und Schönheit verlieh. Gutes Design war für sie, wenn an einem Objekt nichts mehr wegzulassen oder hinzufügen war, dieses nur noch selbstverständlich war. Das war der intellektuelle Maßstab, mit dem Brigitte Klosowski auch ihre eigenen Werke maß.

Brigitte Klosowski Ringe
Brigitte Klosowskis Schmuckprogramm bestand im Wesentlichen aus Broschen, Anhängern und Ringen, die dem funktionalen Prinzip der Tragbarkeit verpflichtet waren. Ihre Broschen konzipierte sie in dreierlei Gestalt, als rechteckigen oder ovalen Ansteckschmuck, als schmale Nadel und als sog. Überstecker, die sich an ein Revers oder einen Ausschnitt befestigen ließ. In der ersten Gruppe dominierten gewölbte, horizontal und vertikal versetzte Blechabschnitte, die ein bewegtes Spiel reliefierter Oberflächen entfalteten und miniaturhaften Bildhauerarbeiten glichen. Wichtig war der Künstlerin dabei die perfekte Ausgewogenheit aller Teile, die sie zuvor mit Modellen aus Pappe oder Papier sorgfältig ausprobiert hatte. Die endgültige Ausführung erfolgte in Goldblech, gelegentlich auch in Gold- und Silber, unter zusätzlicher Verwendung kleiner Plättchen aus Elfenbein oder Büffelhorn. Die formalen Elemente waren so gewählt, dass sie immer wieder neue Variationen zuließen.

Brigitte Klosowski ging es stets um formale Schönheit durch Reduktion. Beispielhaft sind dafür auch ihre geriffelten Wellblechbroschen und in besonderer Weise ihre stabförmig geraden, gewellten und sichelartig geschwungenen Nadeln; sie alle sind dem Minimalismus verpflichtet, ohne dass Brigitte Klosowski sich auf diese Stilrichtung explizit berufen hätte. Auch ihre u-förmig kantigen Überstecker sind Teil ihrer strengen Formenwelt.

Eine Neuheit entwickelte Brigitte Klosowski Mitte der 1980er Jahre mit ihrem „variablem Halsschmuck“, der erlaubte, auf einen einfachen Goldreif Elemente aus Edelmetall sowie Kugeln aus farbigen Halbedelsteinen aufzuziehen. Alle Teile waren austauchbar und gaben der Trägerin je nach Anlass und Stimmung die Möglichkeit, ihren Schmuck selbständig zu gestalten. Ausgehend von ein oder zwei Elementen ließ sich der Anhängerschmuck bis zu einem wirkungsvollen Collier steigern. Bei dieser Schmuckform ließ die Künstlerin auch farbige Steine zu, um die Trägerin zu animieren, immer wieder neue Zusammenstellungen zu erfinden. Damit wollte Brigitte Klosowski ein demokratisches Prinzip im Schmuckschaffen etablieren.

Brigitte Klosowski Brosche
Brigitte Klosowski strebte in ihrem Schmuck nach Zeitlosigkeit; er sollte keiner Mode unterworfen, vielmehr gestalterisch unverwechselbar sein. Auf dieser Grundlage entwickelte die Künstlerin in ihrem 50jährigen Schaffen eine besondere Form von Qualität, mit der sie der deutschen Schmuckkunst der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts neue Wege wies.

Lebenslang engagierte sie sich für die Anerkennung des Kunsthandwerks in ihrer Vaterstadt und wurde dafür von Kollegen und Kolleginnen geschätzt und geehrt. Zum Beispiel übernahm sie viele Jahre die Rolle einer kritischen Beobachterin der Jahresmesse des Museums für Kunst und Gewerbe, indem sie mit Hilfe von Fragebögen die Stimmung der Messeteilnehmer erkundete und nach Ende der Messe die Ergebnisse ihrer Befragung mit entsprechenden Verbesserungsvorschlägen im Museum vortrug.

Wer mit Brigitte Klosowski Umgang hatte, erlebte eine stets freundliche und unaufgeregte Persönlichkeit. Eine Retrospektive ihres Werkes hat die Künstlerin nie angemahnt; sie war zu bescheiden, um sich aufzudrängen. Sie missbilligte Künstler, die sich zu wichtig nahmen und schätzte maßvolle Zurückhaltung. Über ihren eigenen Lebensweg und ihr Verhältnis zum Schmuck sagte sie mit leisem Understatement: „Es war nicht so, dass ich unbedingt Schmuck machen musste, aber es ist mein Weg geworden.“

Brigitte Klosowski war eine bemerkenswerte künstlerische Persönlichkeit. Uns allen, die wir sie kannten, wird sie fehlen.

 

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